„Es werden zusätzliche Aktivitäten gegen sexualisierte Gewalt gefordert, aber bereits vorhandene Kinderschutzangebote werden nicht finanziert“, so Prof. Dr. Ulrich Spie, Vorstandsvorsitzender des Essener Kinderschutzbundes. Stattdessen müssen Spenden und Stiftungsgelder für die professionelle Kinderschutzarbeit eingeworben werden. Auch das Kinderschutz-Zentrum mit seinen Beratungsangeboten und Krisenhilfe unterliegt lediglich einer Teilfinanzierung durch öffentliche Zuschüsse. „Wir weisen seit Jahren darauf hin, dass das Kinderschutz-Zentrum nicht auskömmlich finanziert ist“, so der Kinderschutzvorsitzende Spie. Beratungsanfragen erfolgen durch Familien, hier sind häufig Erziehungsprobleme und Überforderung der Anlass. Fachanfragen erfolgen durch Behörden und Institutionen, hier geht es insbesondere um die Klärung und Einschätzung von Kindeswohlgefährdung. Auch sogenannte Schutzkonzepte für pädagogische Einrichtungen und Vereine werden im Kinderschutz-Zentrum entwickelt. Die Fachkräfte des Kinderschutz-Zentrums verfügen in diesem Themenfeld über eine spezielle Expertise und haben damit die Möglichkeit, sexuelle Gewalt im Gesamtkontext von Gewalt wahrzunehmen und zu beantworten. Das Essener Kinderschutz-Zentrum ist Mitglied der bundesweiten Bundesarbeitsgemeinschaft, der bundesweit 29 Kinderschutz-Zentren angehören.
Neben den Beratungsangeboten steht im Essener Kinderschutz-Zentrum seit über 20 Jahren auch das Präventionsprojekt „Mein Körper gehört mir“ auf der Agenda, das sich an Kinder im Grundschulalter richtet. Das theaterpädagogische Projekt wird in Kooperation mit dem Kommissariat Vorbeugung der Polizei an den Essener Grundschulen durchgeführt. Die Kinder lernen durch die Szenen des Mitmach-Theaters Verhaltensweisen, mit denen sie sich in schwierigen Situationen besser schützen können. Sie lernen auch, sich bei Vertrauenspersonen Hilfe zu suchen. Auch bei diesem erfolgreichen Projekt, das so viele Kinder erreicht, heißt es: Ohne Spenden kein Projekt. „Viele unserer Kinderschutzangebote, ob Beratungsangebote für Eltern oder Bildungsprojekte für Kinder, müssen wir über Spenden finanzieren und gerade diese sind in der derzeitigen Situation stark rückläufig“, so der Vorsitzende des Essener Kinderschutzbundes. Und so sind auch Schließungsszenarien und der Rückbau von Angeboten beim Kinderschutzbund Essen in Vorbereitung.
Der Kinderschutzbund in Mülheim muss zum 30. Juni seine Beratungsstelle gegen Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellen Missbrauch von Kindern schließen. Der Grund: Eine fehlende Finanzierung der Beratungsstelle, die zu einem Großteil ihre Arbeit über Spenden finanzieren muss.
Der Landesverband des Kinderschutzbundes kennt die wirtschaftlichen Nöte der Fachberatungen aus zahlreichen Städten Nordrhein-Westfalens. „So wie in Mülheim sind landesweit viele spezialisierte Beratungsstellen unterfinanziert“, sagt Landesgeschäftsführerin Krista Körbes. Seit den 1990er Jahren habe es keine Anpassung der Fördergelder des Landes gegeben. Gerade im Hinblick auf die Präventionsbemühungen des Landes im Bereich sexualisierter Gewalt müsse bei der Finanzierung der Fachberatungsstellen dringend nachjustiert werden.