Morgen, am 20. September, ist Weltkindertag. Jedes Jahr wird an diesem Tag auf Kinderrechte aufmerksam gemacht. Das Grundrecht auf Bildung gehört zu den wesentlichen Forderungen der UN-Kinderrechtskonvention. Doch ein Blick auf die Bildungssituation von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zeigt, dass von politischer Seite bei Weitem nicht genug getan wird, um vor allem benachteiligten Kindern und Jugendlichen Chancengerechtigkeit und Teilhabe zu ermöglichen.
„Wenn es dann am Weltkindertag in der öffentlichen Diskussion um das Wohl der Kinder geht, sind das reine Sonntagsreden. Schließlich wird uns nahezu jedes Jahr durch Bildungsstudien und internationale Schulvergleiche eindrücklich vor Augen geführt, dass der Bildungserfolg in Deutschland nach wie vor wesentlich durch die soziale Herkunft von Kindern und Jugendlichen bestimmt wird“, so Prof. Dr. Ulrich Spie, Vorstandsvorsitzender des Kinderschutzbundes Essen. „Mehrere Hundert Jugendliche verlassen in Essen jedes Jahr die allgemeinbildenden Schulen ohne Abschluss. Damit verlieren wir eine ganze Generation. Das ist eine erschreckende Situation, die wir nicht hinnehmen wollen.“
Allein im Sommer 2024 verließen 489 Jugendliche in Essen die Schulen ohne einen Hauptschulabschluss. Damit haben sie kaum Aussichten auf eine berufliche Perspektive wie beispielsweise einen Ausbildungsplatz. Die Versager sind jedoch nicht die Schülerinnen und Schüler; es sind fehlende individuelle Förderungen und Unterstützungsangebote. „Es ist ein Skandal, dass Deutschland händeringend nach Fachkräften sucht und zugleich auf die Möglichkeit verzichtet, vorhandene Schulabgänger systematisch zu qualifizieren“, sagt Prof. Spie.
Das Problem beginnt früh: häufig bereits vor der Einschulung. Immer mehr Kinder bringen erhebliche Gesundheitsprobleme und Entwicklungsdefizite mit. Aus den jüngsten Schuleingangsuntersuchungen der Stadt Essen geht hervor, dass mehr als jedes fünfte Kind nicht an allen Vorsorgeuntersuchungen (U1 bis U9) teilgenommen hat. Nahezu jeder vierte Erstklässler ist übergewichtig und mehr als jedes zweite Kind hat Störungen in den Bereichen Sprachentwicklung und Körperkoordination.
Nach dem Eintritt in die Schule setzt sich dies fort. Viel zu viele Kinder und Jugendliche starten in Essen ihre Schullaufbahn unter ungünstigen Bedingungen. Weil ihre Eltern wenig verdienen oder aus einem anderen Land stammen, haben sie oft geringere Chancen auf einen erfolgreichen Bildungsweg. Doch vielfach erhalten die Kinder in den Schulen nicht die Unterstützung, die sie benötigen, weil es an Lehrkräften, intakten Schulgebäuden und moderner, pädagogisch sinnvoller Ausstattung mangelt.
Der Kinderschutzbund Essen hat die Bildungssituation der Kinder und Jugendlichen seit Jahrzehnten im Blick, denn Bildung ist ein wesentlicher Aspekt des Kinderschutzes. Bildung ist Voraussetzung für Chancengerechtigkeit und Teilhabe. Deshalb hat der Kinderschutzbund bereits im Jahr 2000 die lernHÄUSER gegründet – damals zunächst noch unter der Überschrift „Lernen wie man lernt“. Ziel ist es seitdem, durch frühzeitige Prävention negative Schulerlebnisse, fehlende Lernerfolge und Perspektivlosigkeit zu vermeiden. Längst hat sich daraus ein zertifiziertes, vielfach ausgezeichnetes Erfolgsmodell entwickelt.
Die lernHÄUSER unterstützen Kinder und Jugendliche frühzeitig während ihrer gesamten Schullaufbahn. Bis zu 300 Schülerinnen und Schüler vom Erstklässler bis zum Abiturienten nutzen regelmäßig die vielfältigen Förderangebote an vier über das Stadtgebiet verteilten Standorten. Hier begleiten 14 pädagogische Fachkräfte in multiprofessionellen Teams die Schulkinder zusammen mit rund 40 ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Die lernHÄUSER bieten individuelle Lernförderung an, stärken aber auch soziale und emotionale Kompetenzen systematisch. Wertevermittlung und Demokratieförderung tragen zur Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen bei; Potentialanalysen unterstützen die Schülerinnen und Schüler, ihre Talente zu entdecken. Dadurch ermöglichen die lernHÄUSER erfolgreiche Schulabschlüsse und einen gelingenden Einstieg in den Beruf.
Doch das Jubiläumsjahr ist trotz aller pädagogischen Erfolge kein Jahr zum Jubeln. Denn die lernHÄUSER, die in hohem Maße durch Spenden finanziert werden, sind in eine bedrohliche finanzielle Schieflage geraten. Die in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegenen Personal- und Sachkosten, die den Kinderschutzbund Essen wie viele andere Träger hart treffen, konnten bislang nicht durch ein Mehr an Spenden aufgefangen werden. „Deswegen müssen wir Kosten sparen – zugleich wollen wir aber sicherstellen, Einschnitte beim bildungs- und sozialpädagogischen Anspruch der lernHÄUSER zu vermeiden“, sagt Prof. Spie. „Wir wollen die vier Standorte auf jeden Fall erhalten. Denn wir werden weiter für den Schulerfolg jedes Kindes kämpfen – auch wenn die Finanzierung nicht gesichert ist.“
Damit die lernHÄUSER über das Jubiläumsjahr hinaus auf Dauer erhalten bleiben, braucht der Kinderschutzbund Essen weiterhin treue Spender und Förderer an seiner Seite, die sich für die Bildungsgerechtigkeit von Kindern und Jugendlichen einsetzen: eine der sinnvollsten Investitionen in die Zukunft der Gesellschaft.
Spendenkonto Förderverein Kinderschutzhaus Essen e. V.
National-Bank Essen, IBAN: DE82 3602 0030 0000 2352 45